In einer Zeit, in der die Digitalisierung nahezu alle Lebensbereiche durchdringt, wird die Notwendigkeit, mit den ständigen Veränderungen Schritt zu halten, immer entscheidender. Diese Dynamik zeigt sich besonders deutlich in der Energiewirtschaft. Im Interview mit Dr. Benedikt Schnellbächer, Juniorprofessor an der Universität des Saarlandes und Experte für digitale Innovationen, werfen wir einen genaueren Blick auf die Herausforderungen und vielversprechenden Chancen, die die Digitalisierung in der Energiewirtschaft mit sich bringt.
Dr. Schnellbächer: Die Energiewirtschaft sieht sich einem enormen Transformationsdruck gegenüber, der durch verschiedene Faktoren wie die digitale Transformation, umweltbedingte Veränderungen und soziale Entwicklungen verstärkt wird. Dies erfordert nicht nur Anpassungen, sondern einen ständigen Wandel in Organisationsstrukturen und Arbeitsmodellen. Die Branche kann nicht mehr von einem stabilen Status quo ausgehen; vielmehr wird in den kommenden Jahren und wahrscheinlich Jahrzehnten eine kontinuierliche Anpassung erforderlich sein. Heutzutage stehen viele Branchen vor der Herausforderung, sich den Anforderungen der Transformation zu stellen. Für die Energiewirtschaft ist diese Aufgabe jedoch besonders bedeutsam, da sie einen besonderen Fokus auf Transformation hat.
Dr. Schnellbächer: Die Energiewirtschaft ist stärker betroffen als viele andere Industrien, da sie im Zentrum gesellschaftlicher Nachhaltigkeitsziele steht, wie es beispielsweise die Energiewende in Deutschland verdeutlicht. Moderne Entwicklungen wie der Aufbau von Elektrofahrzeuginfrastrukturen und das vermehrte Arbeiten von zu Hause aus beeinflussen den Energiebedarf und -verbrauch. Daher sind Transformationsprojekte, insbesondere im Bereich der Energiewirtschaft, notwendig, um nicht nur neue Strukturen und Prozesse zu implementieren, sondern auch die gestiegenen Anforderungen an die Produktionskapazität zu bewältigen. Hierbei spielen digitale Technologien eine entscheidende Rolle, um die Umstellung auf nachhaltige Energiequellen effizienter zu gestalten.
Dr. Schnellbächer: Die bisherige Vorgehensweise, bei der einzelne Abteilungen oder die IT eigenständig Projekte durchführten, ist im Zeitalter der digitalen Transformation nicht mehr effektiv. Eine ganzheitliche Einbeziehung der gesamten Organisation ist notwendig, besonders in einer stark regulierten Branche wie der Energiewirtschaft, die von verschiedenen Stakeholder-Gruppen beeinflusst wird. Dies führt zu einer erhöhten Komplexität, da verschiedene Interessengruppen überzeugt und integriert werden müssen. Agile Methoden stoßen aufgrund der sicherheitsorientierten Kultur auf Widerstand, was die Implementierung herkömmlicher digitaler Transformationsmethoden herausfordernd macht.
Dr. Schnellbächer: Es handelt sich dabei zweifelslos um einen interessanten Forschungsbereich. Leider gibt es bisher noch wenige Studien, welche Licht auf den Fragekomplex werfen. Einen interessanten Indikator bietet jedoch eine neue Studie von 2023 aus Tschechien. Die Kolleginnen und Kollegen untersuchen auf Basis eines World Bank-Datensatzes (2019) in 11 Europäischen Ländern, inwiefern der Geschlechterdiversität von Unternehmenseigentümern Auswirkungen auf Innovationen und Energiemanagement im Unternehmen aufweist. Dabei konnten Sie für höhere Diversity-Werte (mehr weibliche Eigentümer) einen positiven Effekt auf die Erstellung von Innovationen (inkrementelle und radikale Innovationen) feststellen. Die Studie konnte keinen positiven Effekt herstellen bei höheren Diversity-Werten und der Einführung von Energiemanagement. Dieses Ergebnis ist jedoch im Wiederspruch mit früheren Studien. Generell ist weitere Forschung erforderlich, weil die Komplexität in diesem Themengebiet multiple Studien benötigt, um ein klares Bild zu erhalten.
Dr. Schnellbächer: Unsere Forschung konzentriert sich auf die organisatorischen Voraussetzungen für den Einsatz von KI im Bereich Nachhaltigkeit. Der Aufbau entsprechender Ressourcen zeigt positive Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit, insbesondere in der nachhaltigen Produkt- und Dienstleistungsentwicklung. Wir konnten beobachten, dass nach dem Aufbau dieser Ressourcen Fähigkeiten und Unterstützungsprozesse eingeführt werden, um den Einsatz von KI für Nachhaltigkeitszwecke zu fördern. Bisher konnten jedoch keine unmittelbaren positiven Auswirkungen dieser Fähigkeiten auf die quantitative Nachhaltigkeitsmaße (z.B. CO2-Reduktion) festgestellt werden. Es besteht allerdings die Möglichkeit, dass die Wirkungen zeitverzögert eintreten und bisher einfach noch nicht erfasst wurden.
Dr. Schnellbächer: KI stellt zweifellos eine Herausforderung für Bildung und Lehre dar. Es ist wichtig zu verstehen, dass KI-Programme als Werkzeuge dienen und je nach Anwendungsbereich effektiv oder ineffektiv eingesetzt werden können. Im Bildungsbereich stehen zunehmend Softwareangebote zur Verfügung, die KI-generierte Inhalte erkennen können. Daher müssen Lernende für ihre jeweilige Fachrichtung entscheiden, wo der Einsatz von KI angemessen ist. In vielen Fällen wird es mehr oder weniger Arbeitnehmer erfordern, KI im Alltag zu nutzen, wobei ökonomische Überlegungen und die einfache Handhabung von KI zu einer verstärkten Nutzung im Arbeitsalltag führen werden.
Dr. Schnellbächer: Die Energiewirtschaft durchläuft einen bedeutenden Transformationsprozess. Die zentrale Aufgabe besteht darin, Organisationsstrukturen und -prozesse so zu gestalten, dass langfristige Agilität und Flexibilität im Unternehmen ermöglicht werden. Neben der aktiven Nutzung digitaler Technologien wie künstlicher Intelligenz spielen auch neue agile Projektmanagement-Methoden und Leadership-Ansätze eine immer wichtigere Rolle. Es ist entscheidend, KI nicht nur als ausführendes Werkzeug, sondern auch als Sparringspartner zu nutzen, um wertvolle Einsichten und Empfehlungen zu erhalten. Organisationen müssen sich bewusst sein, dass die Implementierung dieser Veränderungen Zeit und Fachkenntnisse erfordert. Die Herausforderung besteht darin, den Wandel in einer stark regulierten und von verschiedenen Interessengruppen beeinflussten Branche wie der Energiewirtschaft erfolgreich zu gestalten. Ein Fingerspitzengefühl und Fachwissen sind unerlässlich, um alle Beteiligten in den Transformationsprozess zu integrieren und sicherzustellen, dass langfristige Ziele erreicht werden. Insgesamt bietet die digitale Transformation in der Energiewirtschaft nicht nur Herausforderungen, sondern auch ein enormes Potenzial für langfristige positive Ergebnisse.
Dr. Benedikt Schnellbächer ist Juniorprofessor an der Universität des Saarlandes mit den Forschungsschwerpunkten Digitale Transformation und Existenzgründung. In diesen Bereichen beschäftigt er sich mit Themen wie Entrepreneurship, digitalen und nachhaltigen Start-ups, Gründerverhalten und Geschäftsmodellentwicklung.
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